
... oder: eine andere Möglichkeit, mit Schuld, Schuldigen, Opfern und Tätern umzugehen
(Noch-)Bundesbanker, Buchautor und Politiker A.D. Thilo Sarrazin erhitzt die Gemüter und verursacht mit seinem Buch eine Menge Wirbel. Jeder weiß was, jeder hat was dazu zu sagen, dass die Stammtische nur so krachen. Dabei wissen nur wenige, worum es in dem Buch eigentlich tatsächlich geht - und das aus dem einfachen Grund, weil sie es nicht gelesen haben. Hauptsache ein Ventil zum Dampf-Ablassen

Herr S. tut das Seinige dazu, gießt mittels Interviews munter Öl ins Feuer oder redet sich in Talkshows stammelnd und stotternd um Kopf und Kragen, wenn er einige seiner Kernthesen von den Autoritäten und Kapazitäten, die er mangels eigenen Fachwissens zitiert, um die Ohren gehauen bekommt. Fast könnte er einem ein bißchen leid tun, der Herr S.
Doch Mitleid hilft ihm nicht. Uns auch nicht.
Ist er nun Opfer, weil unverstanden? Gar bald Märtyrer, wenn ihn (trotz kundgetaner "psychischer Robustheit") in Kürze der Schlag trifft?
Oder ist er ein tumber Brandstifter, der die Atmosphäre vergiftet und die Demokratie gefährdet?
Je nach Weltanschauung wird mensch in die eine oder andere Richtung tendieren, sich in seinen Überzeugungen bestätigt fühlen und gegen die anderen Sturm laufen oder sich an Stammtischen (oder in Internetforen) empören.
Ich habe einen anderen Vorschlag
Einen wenig spektakulären, und auch nicht sehr populären - und dabei doch sehr wirkungsvollen: wirkungsvoll für jeden, der in irgendeiner Weise emotional reagiert; wirkungsvoll für Herrn S., da im Leben nichts und niemand voneinander getrennt ist, und somit auch wirkungsvoll hinsichtlich einer konstruktiven Lösung der gesamten Situation.
Anstatt die Situation und die darin verstrickten Personen - und hier insbesondere Herrn S. - als Zielscheibe zu betrachten, können wir ja mal versuchsweise den Standpunkt verändern und die Perspektive erweitern, indem wir das Ganze als Spiegel, als Projektionsfläche betrachten.
Wer wirklich bereit und offen dafür ist, wird bemerken, dass das, auf das er da im Außen reagiert, in seinem Inneren einen Widerhall in Form entsprechender eigener (abgelehnter) Eigenschaften und Verhaltensweisen findet. Es braucht nur ein bißchen Ehrlichkeit und Offenheit sich selbst gegenüber

Lust auf ein spannendes Experiment?
Okay - here we go (ich beschreibe das Experiment allgemein, doch es sicher eine gute Idee, es auf die aktuelle Situation mit Herrn S. anzuwenden):
• Denke einen Augenblick über eine Situation, die eine Reaktion in Dir auslöst, nach ... welche Personen sind beteiligt? Was ist nicht in Ordnung? Was läuft falsch? Und welche Reaktion löst es bei Dir aus?
• Nimm die Person, die die stärkste Reaktion auslöst. Was hat sie gesagt, getan oder unterlassen, was Deiner Ansicht nach nicht in Ordnung ist?
- Frage: Gibt es Zeiten, in denen du dich weigerst, diesen Fehler bei dir selbst zu erkennen?
• Nimm es zu dir zurück - wann, wo, wie hast Du so geredet o. gehandelt? Oder nicht geredet/ gehandelt, obwohl Du hättest reden o. handeln sollen.
- Wem hast Du durch Dein Reden o. Handeln (oder Nicht-Reden/ Nicht-Handeln) geschadet? Wessen Integrität hast Du dadurch beeinträchtigt?
• Richte Deine Aufmerksamkeit auf die Person, der Du Unrecht angetan hast (wenn es mehrere sind, wiederholst Du die folgenden Schritte mit jeder einzelnen Person), in der Weise, dass Du ihre Essenz, ihr inneres göttliches Wesen (an)erkennst und sage im Stillen zu dieser Person (in Klammern ergänzende Hinweise, die nicht mitgesprochen werden):
1. Es tut mir leid (und fühle dabei die Reue - Du bedauerst aufrichtig das, was Du der Person angetan hast, fühlst den Schmerz, die Verletzung, die der andere durch Dich erlitten hat)
2. Bitte vergib mir (fühle aufrichtig den Wunsch, dass Dir vergeben werden möge, damit dadurch wieder Verbundenheit hergestellt wird)
3. Ich liebe Dich (von Essenz zu Essenz)
4. Danke (Fühle die Dankbarkeit dafür, dass Du eine weitere Gelegenheit zum inneren Wachstum durch Integration abgelehnter Anteile erhalten hast)
• Dann sprich den Segenswunsch aus: Mögest Du frei von Schmerz und Kummer sein, mögest Du Frieden und Erleuchtung erfahren.
• Wiederhole diese Schritte mit jeder Person, der Du Unrecht angetan hast. Mache dies schließlich mit jedem Fehlverhalten, das Du bei der ursprünglichen Person bemerkt hast.
• Abschließend wende die Schritte auf die ursprüngliche Person an. Mache dies so lange, bis Du ein Gefühl tiefen inneren Friedens empfindest.
Genieße

(Foto © David Niblack/ IMAGEBASE)