
... oder: warum wir die inneren Scheuklappen weiter stellen sollten
Manchmal (oder auch öfter) sind wir so sehr in unseren Vorstellungen und Annahmen über die Welt im allgemeinen und andere Menschen im besonderen gefangen, dass andere Sichtweisen und Standpunkte nur wenig bis gar keinen Raum haben. Kennst du das auch?
Wie wir uns unsere Welt erschaffen
Wir gehen davon aus, dass andere die Welt mit den gleichen Augen sehen wie wir - und das schafft eine Menge Stoff für Konflikte, wenn wir feststellen, dass der andere es nicht so sieht.
Wir gehen davon aus, dass die Welt heute die selbe ist wie gestern und dass das, was gestern funktioniert hat, heute noch genauso funktioniert.
Wir mühen uns ab und sind frustriert, wenn wir versuchen, Lösungen für die Probleme von heute mit den Mitteln von gestern zu finden.
Was uns oft fehlt, ist eine größere, weitere Perspektive - ein umfassenderer Standpunkt, der mehr Möglichkeiten mit einschließt.
Atemberaubende Aussichten
Ganz bei mir in der Nähe befindet sich die Wasserkuppe, der höchsten Berg Hessens, und hin und wieder bin ich dort oben, um die atemberaubende Aussicht zu genießen. Wie nahezu alle Berge und Hügel in der Rhön ist auch die Wasserkuppe unbewaldet, und man hat von dort oben eine gigantische Fernsicht.
Wenn ich dann dort oben stehe und die offene Weite der 360°-Perspektive genieße, werden mit einem Schlag alle Probleme und Unpäßlichkeiten so lächerlich.
Es öffnet das Herz und das Bewusstsein für neue Möglichkeiten, dort zu stehen oder auch zu sitzen und einfach nur den Blick in die Ferne schweifen zu lassen, dabei innerlich immer ruhiger zu werden, dem sanften auf und ab der umliegenden Hügel zu folgen und zu genießen.
Manches, was vorher unveränderlich und wie in Stein gehauen zu sein schien, löst sich beim Bewusstwerden einer größeren Perspektive einfach auf.
Offene Weite, nichts von heilig
Der Zen-Mönch Boddhidharma, der von Indien nach China kam, um dort das Zen zu verbreiten, wurde vom Kaiser Wu gefragt, was das Wesen der hächsten Wahrheit sei, und er antwortete mit seinem berühmten Ausspruch: "Offene Weite, nichts von heilig."
Das sollte sicher keine Profanisierung des Lebens sein, sondern vielmehr deutlich machen, dass es keine letzten Antworten und auch keine festgfügten Prinzipien gibt, nach denen wir zu leben hätten.
Die Lösung aller Lösungen - unsere ureigenste tiefste Wahrheit, das Wissen um das, wer und was wir wirklich sind - finden wir da, wo wir innerlich ganz weit werden und uns ins Gewahrsein ausdehnen und entspannen.
Daher - wenn es in deinem Leben wieder mal eng wird, entspanne dich, nimm den Standpunkt einer weiteren und ausgedehnteren Perspektive ein und genieße die Möglichkeiten, die dann auftauchen.
Ganz praktisch:
- Werde wach für deine Neigung zum Aufstellen von Vorannahmen und achte im Alltag und in der Begegnung mit anderen darauf, wann du beginnst, voreilige Schlüsse zu ziehen.
- Finde den Mut, deine Sicht der Dinge in Frage zu stellen und zu überprüfen.
- Im folgenden findest du eine einfache Übung, die es dir ermöglicht, dein Bewusstsein auszudehnen; du kannst diese Technik überall ausführen (anfangs kann es hilfreich sein, diese Übung mit geschlossenen Augen durchzuführen, aber nach einer Weile solltest du es auch mit offenen Augen ausführen können):
- Entspanne deinen Körper;
- atme einige Male tief ein und aus, um auch deinen Geist zu beruhigen;
- entspanne deine Augen und lasse deinen Blick weich und offen werden, ohne etwas Bestimmtes zu fokussieren;
- richte deine Aufmerksamkeit auf den Raum, der dich umgibt;
- stelle dir vor, dass du dich in diesen Raum, der dich umgibt, hinein ausdehnst;
- stelle dir vor, dass du dieser Raum bist;
- erlaube dir das Gefühl, völlig von diesem Gefühl der Ausdehnung durchdrungen zu sein;
- werde dir darüber bewusst, dass du dir des Gefühls der Ausdehnung bewusst bist
- sei grenzenlos.
(Foto © David Niblack/ IMAGEBASE)